Selim Teber stellt den schon gefeuerten Jara wieder ein
FUSSBALL: FCK-Halbzeitbilanz - Joker beantwortet die Trainerfrage - Ioannis Amanatidis bester Feldspieler nach Noten
KAISERSLAUTERN (zkk). 31. Oktober 2004: Um 19.04 Uhr ist Kurt Jara de facto entlassen. Um 19.15 Uhr stellt ihn Selim Teber quasi wieder ein. Mit seinem Doppelpack schießt der Joker den 1. FC Kaiserslautern zum 2:1 (0:0)-Sieg gegen Arminia Bielefeld, macht die auch im Falle eines Remis beschlossene Kündigung des Trainers rückgängig.
Der FCK hat von den folgenden sechs Spielen nur noch eins - bei den Bayern - verloren. Der Sicherheitsabstand zum ersten Abstiegsplatz beträgt für den Tabellendreizehnten nach Abschluss der Vorrunde sieben Zähler.
„Nach der sehr guten Vorbereitung waren alle zu euphorisch - auch ich", gesteht Kurt Jara. 40 Punkte - das war das Ziel nach der Last-Minute-Rettung 2003 und 2004. Dann der Fehlstart: Drei Niederlagen, zwei zu Hause - nach drei Spielen steht der FCK im Jahr eins nach Klose mit dem Rücken zur Wand. Die Fans reagieren: „Jara raus!" Es wird ein heißer Herbst: Auch für René C. Jäggi. Nach dem 7. Spieltag zeigt sich der Vorstandsvorsitzende ratlos: Die Mannschaft verweigert die Leistung, verliert (verdient) 0:2 gegen eine schwache Berliner Hertha. „Ein Spiel wie gegen Hertha dürfen wir uns zu Hause nie wieder erlauben", schreibt Jäggi allen Beteiligten nach dem sportlichen Offenbarungseid ins Stammbuch. Die Schonfrist für Jara beruht nicht nur auf Vertrauen, sondern auch auf der Macht des Faktischen. „Eigentlich kann sich der FCK gar keine Trainerentlassung leisten", wird Jäggi später mit Verweis auf das geringe Eigenkapital sagen. „Wenn wir gegen Leverkusen verloren hätten, ich hätte ihn wahrscheinlich doch entlassen", gesteht Jäggi Tage nach der Nullnummer, als er nach dem unglaublichen Spiel gegen Bielefeld den Trainer aus der Schusslinie rückt. „Wenn wir gegen Bielefeld nicht gewonnen hätten, dann wäre es wohl passiert", glaubt der Österreicher. Er weiß es ...
Der Mann mit der Bierruhe hat nur einmal die Nerven verloren, als er nach dem dramatischen Pokal-Aus, der Niederlage im Elfmeterschießen gegen Schalke 04, ausflippt, die Fans attackiert, mit Rücktritt droht und am Tag danach die Rolle rückwärts probt. „Der Trainer hat einen Fehler gemacht", protokolliert Jäggi. Intern gibt er dem „lieben Kurt" zu verstehen, dass er sich einen zweiten nicht mehr würde leisten dürfen. Namen kursieren: Werner Lorant, Jörg Berger, Stefan Kuntz, Bruno Labbadia, Marcel Koller, Klaus Toppmöller - und auch Ciriaco Sforza. Selim Teber beendet die Trainerdiskussion - mit Toren ...
Sforza wird nicht Trainer und nicht Teamchef. Seine Rolle treibt einen Keil in die Beziehung zwischen Star und Trainer. 18 Monate nach seinem letzten Bundesligaspiel aber gibt „Ciri" Sforza sein Comeback. „Ich bin stolz, dass ich nach zwei so schweren Operationen wieder auf diesem Niveau Fußball spielen kann", betont der 34-Jährige. Er führt die Mannschaft zum 3:0 gegen Freiburg, er überragt beim 2:0-Derbysieg gegen Mainz 05.
„Mit dem Kopf durch die Wand. Für immer die Nummer 1 im Land" - die wunderbare Choreografie des Fan-Clubs „Luzifer" in der Westkurve gestaltet, wird von der Mannschaft gegen die Mainzer beherzigt. Der FCK spielt teilweise wie im Rausch, hätte 7:1 oder 6:2 gewinnen können, ja müssen, und nicht nur 2:0.
Im Derby begeistert auch Ioannis Amanatidis. Sein Wadenbeinbruch hat zu Saisonbeginn die Planungen über den Haufen geworfen. Denn der Vollblutstürmer besitzt überragende Fähigkeiten, ein mitreißendes Temperament. „Ich bin erst bei 70 Prozent meiner Leistungsfähigkeit", urteilt der 23-Jährige. Das lässt hoffen.
Amanatidis ist der beste Feldspieler des FCK nach RHEINPFALZ-Noten. Von den neun Neuen sind auch Marco Engelhardt, Ferydoon Zandi, Carsten Jancker sowie Ingo Hertzsch Stammspieler. „Engel" ist erstmals im Kader der Nationalelf, Zandi kultiviert - mit Schwankungen - das FCK-Spiel, Hertzsch arbeitet solide. Jancker, ein guter Vorbereiter, ackert vorbildlich, seine Trefferquote aber ist zu gering.
Als Führungsspieler geplant war Christian Nerlinger, der mäßig begann, nach einer Zehengrundgelenkoperation monatelang ausgefallen ist. Gerade auf seiner Position aber ist die Konkurrenz groß und stark.
Nur Mitläufer ist bislang Jochen Seitz, der oft verletzt war. Den Sprung trotz guter Ansätze noch nicht geschafft hat Mihael Mikic. Ungeduld treibt Jurgen Gjasula, dem es nicht genügt als Talent gepriesen zu werden. Der 18-Jährige möchte seine Klasse auch demonstrieren dürfen.
Die Gewinner: Lucien Mettomo, der den kriselnden Kapitän Timo Wenzel verdrängte, Stabilität brachte. Und Kamil Kosowski, der nach mehr als einem Jahr Anlaufzeit auf dem Betzenberg angekommen ist und die Mannschaft beflügelt.
Verlierer? Sicher Timo Wenzel und auch „Dimi" Grammozis, der sein Comeback mit zwei (dummen) roten Karten eintrübte. Und Stefan Malz, der im Machtkampf mit dem Trainer mit einer Rückkehr nach dessen Rauswurf spekulierte und nun die restliche Vertragslaufzeit wohl im Abseits abzusitzen hat.
Pechvögel? Tim Wiese, der einen Kreuzbandriss erlitten hat, Michael Lehmann, Patrick Wittich, die zweimal operiert wurden, und Hany Ramzy, der sich für ein Comeback plagt.
Glückskinder? Thomas Ernst, der sich mit 36 noch einmal für einen neuen Vertrag empfiehlt. Und Selim Teber, den im Sommer keiner wollte, und der nun Jaras Top-Joker und auch ein Konkurrent Janckers ist.
ron.de