Keine Ahnung, was Carlsen sich da gedacht hat. Es wird mancherorts auch die Theorie vertreten, dass er mit seiner kryptischen Andeutung nicht auf die Nutzung einer Engine rauswollte, sondern darauf, dass Niemann irgendwie an seine Vorbereitung gelangt ist. Insoweit war in der Tat etwas seltsam, dass Carlsen eine eher seltene Eröffnung gewählt hat, Niemann damit aber wunderbar umgehen konnte. Wenn es das allerdings wäre, hätte Carlsen das mE klarstellen müssen, nachdem er sah, was er losgetreten hatte. Und wenn er Niemann wirkliches Cheaten vorwirft, hätte er inzwischen zumindest tragfähige Anhaltspunkte dafür nennen müssen. So wirkt es, als habe er die Niederlage nicht verknusert.
Die Partie selbst - wobei ein entsprechender Nachweis im Spitzenschach nur anhand des Partieverlaufs schwierig ist - lieferte keine konkreten Hinweise darauf, dass ein Computer mitgewirkt hat. Niemann hat sehr gut gespielt, aber nicht fehlerfrei und es waren auch keine typischen „reinen Computerzüge“ dabei. Manche Züge spielen nur Computer, weil sie auch die 20 einzigen Züge berechnet haben, die man danach finden muss, um die Stellung halten zu können. Menschliche Spieler können nicht so schnell so tief und so sicher rechnen und lassen hiervon deshalb die Finger. Solche Züge gab es in der Partie aber nicht. Carlsen wiederum hatte ein paar Sachen drin, die nach unseren Maßstäben kaum als Fehler erkennbar sind, auf Weltniveau aber wenigstens ernsthafte Ungenauigkeiten darstellen. Mehrere Möglichkeiten, die Partie zumindest remis zu halten, hat er verpasst. Das wäre kaum möglich gewesen, wenn er gegen eine moderne Engine gespielt hätte, denn die rauchen auch ihn vor dem Frühstück in der Pfeife. Kurzum: vernünftig begründen lässt sich der Verdacht nicht, tragfähig belegen noch viel weniger.