aus weiblicher Sicht
1.) - ich gehe jetzt mal explizit von der BRD und dann dem vereinigten Deutschland aus, weil die DDR uns in diesen (und anderen Punkten) weit voraus war: Frauen wurden durch diverse Gesetze befähigt, ihr eigenes Geld zu verdienen und waren nicht mehr auf den Mann als Versorger angewiesen, es entwickelten sich wirkliche Liebsheiraten, nachdem verliebt sein ja nun die einzig gesellschaftlich anerkannte Form der Psychose ist, waren die Auswahlkriterien der Frauen streckenweise nicht auf Langlebigkeit ausgerichtet, was vorher durch die massive Einmischung von Eltern noch etwas ausgehebelt wurde.
1b) durch die Pille sahen Frauen den Sinn einer Sozialisierung Richtung " Kinder bekommen, erziehen, 1 Gehalt Haushalt" nicht mehr sonderlich ein, sondern begannen, ihre Ideen von Selbstverwirklung zu entwickeln und zu leben
1c) Durch Studentenaufstände wurden althergebrachte Vorstellungen eines idealen Lebensentwurfes für Frauen mit dem Protest gegen die althergebrachte männliche Überlegenheit mit über den Haufen geworfen
2.) Die Konsequenz der abnehmenden fetten Jahre und der immer wieder schwelenden, an eingien Stellen massiv aufbrechenden Inflation sowie die generelle Erhöhung des Lebensstandards erforderten 2 Gehälter, was mit 1 a bis c günstigerweise gut kombinierbar war.
2b) der Zeitgeist wandelte sich, emanzipiert galt (das ändert sich gerade und ich begrüße das) als diejenige, die in erster Linie arbeitete und in zweiter Linie nebenbei Familie gründet und versorgte, zu gleichen Teilen, was, unterm Strich für Frauen eine Doppelbelastung darstellte, denn bis weit in die 90er und 00er Jahre dachten weite Teile der Bevölkerung nicht einmal im Traum daran, männliche Jugendliche ident zu weiblichen Jugendlichen zu sozialisieren. Ich verweise hier gerne auf die gängigen Jugendzeitschriften unseren Alters und meinen gerne angezerrten plakativen Spruch, dass die meisten Frauen um die 40 eh am Rande eines burnouts entlang schrabben.
2c) Trotzdem herrschte noch bis weit in die 70er Jahre ein zementierte Bild der Sittsamheit und Ordnung - ich in Jahrgang 74 und bin als lediges Kind einer dann alleinerziehende Mutter zur Adoption freigegeben worden und mir hing der Makel bis weit ins Erwachsenenalter nach, respektive ich musste mich aggressiv von diesen Zuschreibungen lösen, Sprich, siehe 1c: wer schwanger wurde, Pech gehabt. Gilt heute nicht mehr, alleinerziehende Mütter machen einen nicht zu vernachlässigenden %Satz in D aus, das Modell ist anerkannt, ebenso wie Abtreibungen sicher und straffrei unter bestimmten Umständen sind. Frauen haben also Wahlfreiheit und die Möglichkeit, sich aktiv zu entscheiden ohne gesellschaftlich stigmatisiert zu werden, zudem haben sie durch ok-ishe gleiche Bezahlung eine realistische Chance, auf eigenen Beinen zu stehen, was früher schlicht undenkbar war, gewollte kinderlos zu bleiben ist ebenfalls anerkannt, früher waren das " alte Jungfern". (das begrüße ich explizit, die Gebärmütter unserer Mitmenschen gehen uns nichts an) - die Ehe als Versorgungsgemeinschaft ist also quasi nicht mehr existent, und somit entfällt auch der "Druck" diese Versorgungsgemeinschaft aufrecht zu erhalten und sei es nur wegen des Status'.
3.) Durch Übersexualisierung und Dauerverfügbarkeit (von so ziemlich allem) und extreme Ausrichtung an Körperlichkeiten (was, wie Frau Birkenbiehl so lustig bemerkte, interessant ist, denn die wenigsten von uns haben Angst davor, dass einem ein Mann nachts an der Ecke entgegen kommt und einem einen markigen Spruch setzt) haben sich die begehrenswerten Attribute verschoben, weg von einer geschlechterangepassten Rolle hin zu dauerjugendlich und fuckable. DAs führt zum einen dazu, dass Frauen - und Männer - mehr um sich und ihren Marktwert kreisen als anno dunnemal und zum anderen führt es dazu, dass eine schier nimmerendende Konkurrenz nachwächst. Es gibt immer eine, die jünger ist, schöner ist, klüger ist. Es gibt aber niemanden, der besser Wiener Schnitzl machen kann als ich (Scherz, is ungesund, esst das nicht).
b) Die Ausrichtung nach aussen, auch auf Leistung, Anerkennung und Attraktivität führte leider dazu, dass wesentliche Dinge nicht mehr wichtig waren, die eine gute Ehe stabil halten- Durchhaltevernögen, Frustrationstoleranz, Empathie, Interesse am Gegenüber, zurückstecken können. Folglich wurden diese "Tugenden" nicht mehr gelernt und wenn sie im Elternhaus vermittelt wurden, wurden sie nicht mehr sonderlich benötigt und schlichen sich aus. Familien, die diese Werte leben, laufen Gefahr, als ur-reaktionär ausgegrenzt zu werden, abgesehen davon sind wir jetzt bereits in der 2 Generation nach den 60ern, also wären es wenn dann die Großeltern der Kinder, von denen Du berichtest aus der Schule. Das würde mich jetzt zum Punkt der Auflösung der Mehrgenerationenfamilie führen, aber das erspare ich uns allen, weil DAS dauert dann lange.
Somit knallen da zwei Menschen aufeinander, die ungünstigerweise prinzipiell nicht gut genug erzogen sind, nicht gelernt haben, nachzureifen und im schlimmsten Fall im Modus " ichwillaber" durch die Gegend rennen. Verträgt sich nicht gut mit einer langen Ehe, und da ist ein Kind kein Hinderungsgrund, sondern eher Katalysator, denn gerade wenn Kinder da sind oder sich ankündigen, muss mindestens ein Teil der Eltern sich eine unendlich lang wirkende Zeit komplett selber aufgeben.
Man könnte es auch zusammenfassen unter: wir haben verlernt, Dinge zu reparieren und besorgen uns einfach etwas neues.
Positiv: die Freiheit der Frauen ermöglich mit Sicherheit einer ziemlich großen Anzahl von Frauen, ein sicheres, sorgenfreies Leben zu leben. Nicht alle Männer sind Heilige - Frauen ja auch nicht - und die Möglichkeit, eine Ehe oder Beziehung zu beenden, ohne stigmatisiert zu sein oder vollkommen am Existenzminimum zu leben ohne Aussicht auf Besserung ist meiner Meinung nach eine gute Entwicklung. Schön wäre es, würde man die andere Seite, nämlich eine lange Partnerschaft führen zu können, wieder mehr an die Menschen herantragen sprich: sie nacherziehen. Meine Großmutter hat mir zu meiner Hochzeit nur einen Rat gegeben: " egal was kommt: Zusammenhalten". Das ist etwas, was ich in auseinandergehenden Ehen schon weit vorher nicht mehr sehe.
Ich möchte noch hinzufügen: wir haben eine schreckliche Kultur des Scheiterns - das ist das, was ich so genüsslich zelebriere, weil es sinniger ist als das "nach aussen so tun als ob.... alles super, nee toll, wirklich, willste mal Fotos von unserem letzten Urlaub sehen, Malediven, all inkl". Wären wir endlich, ENDLICH ehrlicher mit uns und unseren Mitmenschen, uns könnte geholfen werden. Weil: jede/r der verheiratet ist, kennt das Gefühl von Durststrecken und Entfremdung. Nur wir verbauen uns unseren Erfahrungsschatz im Gegenüber, indem wir lieber so tun als ob, statt mal einmal, einfach nur EINMAL ehrlich zu sein.