"Was wollt Ihr da oben?"

joe montana

HOBBY-Triathlet
Ein ganz interessanter Bericht im Kicker, der gut die SpVgg, ihre Probleme, Chancen und das Umfeld beschriebt.

"Was wollt Ihr da oben?"

Trotz der 1:3-Niederlage gegen den MSV Duisburg am Montagabend hat die SpVgg sechs Punkte Vorsprung vor dem ersten Nicht-Aufstiegsplatz. Die Chance aufzusteigen, will Greuther Fürh unbedingt nutzen. Nur, ist die Bundesliga für die kleine, im Schatten des 1. FCN stehende SpVgg nicht eine Etage zu hoch?

Wer Helmut Hack zuhört, hört erst mal zu. Der Präsident der SpVgg Greuther Fürth spricht ohne Punkt und Komma, Analysen, Projekte und Visionen sprudeln nur so heraus. Die halbe Sekunde, die er zum Luftholen braucht, sollte man tunlichst nicht verpassen, um einzuhaken. Als der kicker den Vereinschef provokativ fragt, was die SpVgg überhaupt im Kreise der erlauchten Bundesligisten wolle, verschlägt es Hack die Sprache. Schweigen, mehrmaliges Schlucken - die Frage empfindet der 55-Jährige als unpassend, wenn nicht gar als Frechheit.

Respekt für die geleistete Arbeit

Noch etwas barscher reagiert Trainer Benno Möhlmann. Auf der Rückreise aus Bremen nach Fürth, die Gedanken um das Montagsspiel gegen Duisburg kreisend, ist sein Ärger unüberhörbar. "So weit ich informiert bin, gibt es einen sportlichen Wettbewerb um den Aufstieg in die Bundesliga. Oder wollt ihr eine Liga, in der allein Wirtschaftsunternehmen diktieren, wer dazugehören darf", teilt der 50-Jährige spürbar erregt mit. Auf das in den vergangenen Wochen euphorisiert-trotzig ausgegebene Motto "Ich will rauf!" mit der Gegenfrage "Was wollt Ihr dort oben?" zu reagieren - nein, auf diesen Konter war das Duo Hack/ Möhlmann nicht eingestellt.

Respekt ist es, was die Greuther Fürther ob ihrer geleisteten Arbeit seit dem Zweitliga-Aufstieg 1997 erfahren wollen. In dieser Zeit hat die Vereinsführung auch nach Freiburg geblickt, weil der SC mit ähnlich schwierigen Rahmenbedingungen ab 1993 die Bundesliga realisierte. Konzepte statt Kohle - so die vereinfachte Vereinsphilosophie - hat im Breisgau gewirkt und soll auch in Fürth das Tor zum "Paradies Bundesliga" erst aufstoßen und dann lange hinter der SpVgg verrammeln.

Die Pflastersteine, die den mühsamen Weg in die Bundesliga ebnen sollen, sind schon jetzt weitestgehend eingelassen: Seit dem Aufstieg erhielt Greuther Fürth die Lizenz stets ohne Auflagen, gilt in DFB-Kreisen diesbezüglich als absoluter Musterknabe. Zudem halten die Franken ihre gesamte Vermarktung in den eigenen Händen. Mit Ausnahme des Jahres 2002, als Hack eine negative Bilanz von 1,154 Millionen Euro ausweisen musste, konnte der Verein seit seiner Zweitliga-Zugehörigkeit stets Gewinne verbuchen.

"Die Saat wird aufgehen"

Dieses Plus und Überschüsse aus den Transfers von Radoki (1999, 500 000 Euro), van Lent (1999, 1,15 Millionen Euro), Felgenhauer (2001, 1,25 Millionen Euro), Meichelbeck (2000, 750 000 Euro) und Schlicke (2003, 1 Million Euro) steckte die SpVgg vornehmlich in die Infrastruktur und das Management sowie den Aufbau eines professionellen Unterbaus. Mittlerweile verfügt sie über ein Trainingsgelände und Leistungszentrum, das Bundesliga-Ansprüchen vollauf genügt. Gerade im Jugendbereich hat die SpVgg den großen Lokalrivalen 1. FC Nürnberg auf breiter Front überholt und kann mit aktuell sechs deutschen Nationalspielern im Bundesliga- Kader der A-Junioren beruhigt nach vorne blicken.

Doch was im Jugendbereich geschafft ist, bleibt im Nürnberg-Fürther Konkurrenzkampf um Sponsoren und Zuschauer schiere Utopie. Im überlangen Schatten des traditionsreichen Lokalrivalen stagniert der Zuschauerzuspruch in Fürth auf unterem Zweitliga-Niveau. Weil die SpVgg von 1983 bis 1996 in den Niederungen des Amateursports verschwand, "fehlen uns einfach zwei Generationen eines gewachsenen Fanpotenzials auf höherem Niveau", verspürt Hack diesbezüglich eine große Hilflosigkeit. "Die Saat, die wir seit Jahren säen, würde mit dem Aufstieg in die Bundesliga aufgehen", sagt indes Vizepräsident Wolfgang Gräf angesichts der zahlreichen Werbeaktionen, und denkt wieder an Freiburg, das 1993 mit durchschnittlich 8196 Zuschauern aufstieg.

Erstliga-Zugehörigkeit ein Lebenstraum

Dass Greuther Fürth im Falle des Aufstiegs den Blick für die Realitäten verliert, ist unwahrscheinlich. Dagegen sprechen alleine die besonnenen Charaktere von Hack und Möhlmann. "Wir werden das, was wir mehr bekommen auch ausgeben, aber keinen Cent mehr", erteilt der Vereinsboss einem eventuellen Risikokurs eine Absage. "Wir werden den Verein auch in der Bundesliga einfach jeden Tag weiterentwickeln", sagt Gräf unaufgeregt und verschweigt dabei, dass mit der Erstliga-Zugehörigkeit für Hack & Co. ein Lebenstraum in Erfüllung ginge. Spätestens dann müssen sie zeigen, was sie dort oben wirklich wollen.

Christian Biechele/ Bernd Staib
 
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