Mal meine Gedanken zu dieser Trainerentscheidung und dem Prozedere aus der gestrigen Mittagspause, gepostet im Borussia-Forum.
Gut, jetzt steht es also fest. Unser neuer Trainer heißt Adi Hütter.
Mag vielleicht faktisch tatsächlich die beste Lösung für uns sein, Hütter ist mit Sicherheit inzwischen nachgewiesenermaßen ein ausgezeichneter Trainer, der auch attraktiven Fußball spielen lässt und seinen Mannschaften einen gewissen Spirit, Leidenschaft und Teamgeist vermitteln kann. Und er kann Erfolg, er kennt die Liga und hat bei Frankfurt einige Spieler weiter entwickelt, wer die Jovic, Haller, Kostic, Silva etc. alle entdeckt hat, steht auf einem anderen Blatt.
Insofern, alles gut??? Alles prima, freuen wir uns, durchzuckt mich gerade eine Welle der Vorfreude und Euphorie??
Nein, es lässt mich kalt. Ich nehme es zur Kenntnis, nach fast 50 Jahren Fandasein wird mein Herz für Borussia deshalb nicht wirklich kleiner werden und jeder Sieg, jedes schöne Spiel, eine punktetechnisch hoffentlich wieder deutlich bessere Saison, eine Mannschaft, die Leidenschaft, Willen, Herzblut auf dem Platz entfacht, all das wird mich erfreuen. Und doch ist auch etwas in mir verloren gegangen und sei es nur der bescheuerte Glaube, wir sind wirklich ein besonderer Verein, ein Verein mit Herz, einer, der noch an bestimmten Werten festhält und diese lebt. Keine berechnende, völlig durchkommerzialisierte, alle Lücken des Geschäftes eiskalt nutzende Sportmaschinerie, die jeden Vorteil für sich sucht und nutzt. Mit einer Führung, die sich wohltuend abhebt.
Herr Hütter, ich wünsche Ihnen menschlich, privat und beruflich von Herzen alles Gute, viel Erfolg, Gesundheit und vor allem, wenn sie in ihrer begrenzten Zeit hier es schaffen, dass wir etwas Blechernes hochhalten, dann werden sie immer auch einen Sockel als Trainergott erhalten. Ich weiß aber auch jetzt schon aufgrund der Vorgehensweise, sie werden maximal 3 Jahre hier bleiben, sie verfolgen ihren klaren Karriereplan und wir sind einfach ein weiterer Job, der ihnen die Chance bietet, allen zu zeigen, welche Qualitäten sie haben. Ihr Herz wird nie an diesem Verein hängen, wie meines. Muss es auch nicht, so ist das Fußballgeschäft, ist aber auch schade, denn solche Trainer gibt es auch und die bekommen von mir gerne auch einen Sockel ohne das Blecherne.
Herr Eberl, Glückwunsch zu dieser Verpflichtung, wahrscheinlich einen der begehrtesten Trainer der Liga für uns zu gewinnen, wieder einmal ein Coup und eine Bestätigung, dass sie zu den fachlich besten und auch zu den erfolgreichsten ihrer Zunft gehören, dem es immer wieder gelingt, Menschen für diesen verein zu gewinnen. Doch auch sie haben für mich in den letzten Monaten in vielerlei Hinsicht ihre "Unschuld", ihre Besonderheit, die auch sie für mich darstellten verloren. Es schmerzt zu wissen, dass auch bei uns der Egoismus, die Ellbogengesellschaft, die knallharte Ichbezogenheit des Profigeschäftes ohne Rücksicht auf Verluste, auf Befindlichkeiten, auf Fans in diesem extremen Maße Einzug gezogen hat. Danke übrigens dafür, dass sie uns damit auch klar gemacht haben, dass wir Fans und unsere Emotionen und Gedanken, unsere vielleicht altmodischen Werte komplett ausgedient haben und hinter dem Geschäft und den Interessen des Vereines, so sehr diese andere treffen, zurück zu stehen haben. Sie haben uns damit auch gleichzeitig eine Lektion verpasst, dass es gefährlich ist, sich als Fan moralisch, oder mit dem Zeigefinger erhoben, ja vielleicht sogar emotional enttäuscht oder wütend darüber zu zeigen, wenn wichtige Mitarbeiter des Vereins uns gefühlt "im Stich lassen" und "veräppeln" oder von einem Projekt und langjährigen Aufbau reden, wir wissen es jetzt besser, wir tun im Fall der Fälle auch alles, damit andere Menschen in anderen Vereinen für uns diesen genauso veräppeln und im Stich lassen.
Danke auch für das Augenöffnen, dass wir uns nicht mehr daran erinnern müssen, wo wir einmal herkamen. Dieses Argument, diese Zeit ist vorbei, wenn wir nicht nur mal einfach so trotz Corona 7,5 Mio. € für einen Trainer überweisen (ein Betrag, der vor 10 Jahren, also, dort, wo wir herkamen, fast eine Rekordablöse gewesen wäre und undenkbar), wenn wir eine Metropole mit bedeutend besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten wie Frankfurt in der Attraktivität ausstechen und einem direkten Konkurrenten, der mit seiner Mannschaft im Gegensatz zu uns nächste Saison wohl CL spielen kann, diesen Trainer abwerben können, wohl sicher nicht, weil wir weniger zahlen....
Ich freue mich auch auf all die herzlichen, hoch erfreuten, begeisterten Kommentare vieler anderer Fans, die in den letzten Wochen und Monaten hier teils übelste Hasstiraden über unseren Nochtrainer und seinen kommenden Verein losgelassen haben und sich jetzt wahrscheinlich heftigst an ihren Worten verschlucken müssen und/oder eine heftige Entschuldigung folgen lassen werden. Spaß natürlich, keiner wird sich entschuldigen, Sie Herr Hütter und Sie Herr Eberl, haben uns ja jetzt vorgelebt, dass das einfach cooler Teil des Geschäftes ist und zum (Schau-)Spiel dazu gehört. Müssen wir halt mit leben und auch damit, dass ich es ziemlich heuchlerisch und blöd finde, aber das mein Problem ist, mit dem ich klar kommen muss. Und diejenigen, die sich als Fans so über die Person Rose und die Verantwortlichen aus Dortmund geäußert und aufgeregt haben, wohl auch, wobei, bei denen, die das jetzt feiern, wage ich zu bezweifeln, dass da eine Reflektion kommt.
Unabhängig von all diesen Gedanken, die einfach mal raus mussten. Herzlich Willkommen Herr Hütter, machen Sie das Beste aus ihrer Zeit hier, geben sie uns ganz viele Gründe, mit ihnen zu feiern und zu frohlocken, genießen sie ihre Zeit am und im Borussiapark, es ist ein tolles Gefühl, zu dieser "Fohlenelf" zu gehören und mit ihr viel zu bewegen.
In diesem Sinne, das Beste für Borussia.
P.S.: Ich merke übrigens beim Schreiben dieses Textes, wie viel euphorischer ich gewesen wäre und wie sehr ich mich gefreut hätte, wenn der Neue Trainer Xavi Alonso oder eine ähnliche Überraschung geworden wäre, völlig egal, ob dieser weniger Erfolgsgarantie oder Erfahrung mitgebracht hätte, komisch irgendwie...
Das soll jetzt keine Häme sein. Es ist faszinierend dass man sich im Fußballgeschäft nach all den Jahren immer noch daran klammert dass man nicht so böse ist wie die anderen Vereine. Ich hab das schon lange aufgegeben.